Die Geschichte des Schützenverein Bad Rotenfels e.V.

(1862-1924) (Niedergeschrieben von Uwe-Peter Böhm)

Das über 150 jähriges Bestehen, das auch durch Recherchen des ehemaligen Leiters des wehrgeschichtlichen Museums in Rastatt, Uwe-Peter Böhm nachgewiesen werden konnte, nehmen wir Schützen zum Anlass dies gebührend zu feiern und zu dokumentieren.

Schützen schießen scharf auf Scheiben!  Ist dies jedoch schon der ganze Sinngehalt der Organisation?

Jeder, der sich aufmacht, einen Blick in das Schützenleben zu werfen, staunt über den Reichtum und die Vielfalt der Organisations- und Lebensformen dieser Gesellschaften resp. Vereine. Zum teil geht es dann um sehr alte Dinge und Gepflogenheiten, die streng bewahrt werden, zum teil aber auch darum , alte Gepflogenheiten ganz bewußt zu reduzieren, weil Vernunfts- und Sicherheitsgründe des 21. Jahrhunderts gegen sie sprechen.
Als ein Jäger in ferner Vorzeit seinen Pfeil nicht auf ein Wild, sondern zum Vergnügen in einen Baumstamm schoss begann vermutlich die Geschichte des Schießsports.  Und als er dann noch mit anderen Jägern zu wetteifern begann, wer wohl von ihnen besser und genauer zu treffen vermochte, bedingte dies auch eine Absprache, zu welcher Entfernung oder auf welchen Baum man zielen wollte. So ist vermutlich die erste Schützenordnung entstanden.

Wenn wir im Mittelalter auf die Städte schauen – so entwickelte sich das sportliche Schützenwesen des Mittelalters auch aus der „Wehrertüchtigung“ der Bürgerschaft dieser Städte und dies ging ebenfalls nicht ohne Regeln und Rechtsvorschriften, die von den „Räten“ festgelegt wurden, ab.

Nun  – ganz so alt ist dieser Schützenverein nicht, aber seine 150 Jahre führen uns auch zurück in eine Zeit nach der Revolution in Baden von 1849 , in der zunächst jegliche Vereinstätigkeit durch die Großherzogl. Regierung untersagt war. Dies galt ganz besonders dann, wenn es sich dabei auch um Umgang mit Waffen handelte. Waren die alten Schützengesellschaften in den Städten noch Ausdruck der Wehrhaftigkeit einer Stadt, so war die Gründung des Schützenvereins Rotenfels im Jahre 1862 nun eine reine „Privatangelegenheit“..

In den Beständen des Generallandesarchivs (GLA) Karlsruhe hatte bereits 1977 Jürgen Rieger vom damaligen Leiter des Archivs Dr. Schwarzmaier Akten, die eine Verbindung zwischen dem am 30. Mai 1862 gegründeten Veteranenverein Rotenfels und dem am 10. September 1862 vom Oberamt Rastatt genehmigten Schießbetrieb des Schützenverein Rotenfels herstellen, genannt bekommen.

Vermutungen über das ,,hohe“ Alter des Bad Rotenfelser Vereins gab es schon 1965. Im Protokoll der Generalversammlung von 1965 kann nachgelesen werden, dass die Kuppenheimer Schützen bei Nachforschungen zu ihrer eigenen Vereinsgeschichte auf Hinweise gestoßen waren, welche belegen, dass bereits im Jahr 1864 in Rotenfels ein Preisschießen stattfand.

Ich habe die Akten  noch einmal in Karlsruhe durchgesehen und bin dabei zu folgendem vorläufigen Schluss gekommen: Vermutlich hängt das Gründungsdatum 30. Mai 1862 für den Veteranenverein Rotenfels mit dem  Gründungsdatum des Schützenvereins Rotenfels zusammen. Die Akten des Bürgermeisteramtes Rotenfels, welche  bereits im Juli 1862 von den Vorstandsmitgliedern Karl Nassal und Wilhelm Wender (Weber) berichten sind dafür ein Hinweis. Im Archivbestand Karlsruhe existieren auch die handschriftlich abgegebenen Statuten des Veteranenvereins , in denen es unter den Vorbemerkungen heißt:

„Da nun  von mehreren Veteranen, welche bei dem am  im November abgehaltenen Veteranenfest beigewohnt haben, der Antrag gestellt wurde , dass für die Zukunft bei einem Sterbefall eines Veteranen , die Beisetzung von denselben feierlich begangen werden soll , so hat man auf heute sämtliche Mannschaft auf das Rathaus hierher vorgeladen, um über diesen Gegenstand sich zu beraten und folgenden Beschluss zu fassen“

Es folgten dann 9 Artikel, welche über Vorstand , Ziel des Vereins, Organisation, Beitrag und Vorschriften über Ausschluss handeln. Mit insgesamt 81 Unterschriften wurde dieser Beschluss bestätigt. Auffallend sind die Häufung der heute noch in Bad Rotenfels ansässigen Familiennamen wie Daniel, Peter,  Egidi, Joseph, Damian,  Franz Anton und Konrad Merkel, ein Kaspar Merkel ( in dem bekannten Heimatbuch von Dr. Humbert als Vorstand) unterschreibt mit Nikolaus Wolf als Vorstand, wobei Kaspar Merkel als „Oberbefehlshaber“ und Nikolaus Wolf als Zugführer bei jedem Zug angesprochen wird. Oder: der Bürgermeister Schottmüller ist nicht nur selbst unter den Unterschreibenden, sondern auch Johannes, Bernhard und ein Karl Schottmüller.

Auch die Familie Fütterer ist mit August, Reinhard, und Anton  vertreten. Ein Raghard Rabold wird Kassier und Lothar Stahlberger ( neben ihm waren aus der Familie noch Melchior Stahlberger im verein) Lothar war Polizeidiener (welcher für Ordnung im Verein sorgt)

In einem Auszug aus der Vereinstabelle über die seit dem 1. Mai 1862 neu gegründeten Vereine berichtet Karlsruhe am 25. 11. 1862 von der Gründung des Rotenfelser Schützenvereins mit dem Vereinsziel Schießübungen und dem Gründungsdatum 30. Mai. 1862.

Allerdings wird erst mit der Genehmigung des Schießbetriebes und der Zustimmung des Oberamtes zu den Statuten der Schützenverein funktionsfähig.

Interessant und bisher nicht abschließend abgeklärt ist die Tatsache, warum der Veteranenverein Rotenfels in den Vereinstabellen genannt wird, in denen der Schützenverein nicht genannt wird. Ich vermute dabei folgenden Zusammenhang:

Die großherzogliche Regierung hatte für die feierlichen Begräbnisse je Verein 12 Waffen ausgeben lassen. Dazu bedurfte es natürlich auch der Ausbildung – sprich Schießausbildung – um über dem Grab Salut zu schießen bzw. die Waffen in „ordentlicher Haltung“ während der „Leich“ mitzuführen. Hier scheint der Zusammenhang zwischen Veteranenverein und Schützenverein zu liegen.

Das Jahr 1862 war im Großherzogtum Baden ganz allgemein das Jahr der Vereinsgründungen, weil in diesem Jahr  Beschränkungen und Verbote aus der Zeit nach der Revolution von 1849 aufgehoben wurden. Man kann nur vermuten, dass im Veteranenverein vornehmlich Reservisten der badischen Regimenter zusammenkamen, denn Erfahrungen aus Kriegserlebnissen standen ihnen erst noch für die Einigungskriege 1866 und 1870/71 bevor. Einige ältere Veteranen aber hatten sicherlich  persönliche Erlebnisse in der badischen Revolution vorzuweisen. In den Vereinslisten sind für 1862 im Veteranenverein von 52 eingetragenen Mitgliedern vier Landwehrmänner und 9 Reservisten. Dies bedeutete für die anderen – sie mussten den Umgang mit der Waffe lernen. Wo? – natürlich in dem dazu gegründeten Schützenverein.

Mit der Pflege der Kameradschaft beim turnusmäßigem Biertrinken in den Militärvereinen, die sich 1873 zum badischen Landesverband zusammenschlossen, wollten sich die Reservisten nicht allein begnügen. Wie bereits gesagt: Schon immer war es üblich gewesen verstorbene Mitglieder auf ihrem letzten Weg unter Waffen zu begleiten und wie wir gehört haben,  vom badischen Innenministerium wurden später 12 Schußwaffen je Verein zu Begräbniszwecken erlaubt.

In Rotenfels führte dies wohl zur Gründung  eines Schützenvereines. Übungen im Waffengebrauch sollten aber auch nach den Vorstellungen der Militärvereine den  „wehrhaften Geist“ erhalten helfen. Später kam in vielen badischen Militärvereinen auch die Ausbildung in Sanitätskolonnen hinzu.

Eine interessante Nebenepisode: Eine kurze Zeitungsmeldung vom 14. März 1876 im „Rastatter Wochenblatt“ informiert lapidar über Auflösung und Verbot des Veteranenvereins Gaggenau nach dem Gesetz über Versammlungs- und Vereinsrecht aus dem Jahr 1867. Bisher ist ungeklärt, warum dies nach dem bisherigen Kenntnisstand  keine Auswirkungen auf den Veteranen- und Schützenverein Rotenfels hatte. Die Hintergründe des Verbots werden sehr schnell deutlich, (wir sind im so genannten Kulturkampf der Preußen gegen die Katoliken) wenn in einem Schreiben vom 26. Februar 1876 des Bezirksamtes Rastatt an das Innenministerium berichtet wird : „…Der Gaggenauer Veteranenverein habe seit zwei Jahren , wohl herbeigeführt durch die Wühlereien des Pfarrverwesers Kraus von Rothenfels, sich immer mehr zur Leibgarde der ultramontanen Partei entpuppt…“. Schon im Mai 1872 hatte das Innenministerium einen Erlaß in Kraft gesetzt, nach dem bewaffnete Vereine eine Staatsgenehmigung benötigten. Die einschneidende Regelung wandte sich fast ausschließlich gegen Vereine mit hohen katholischen Mitgliederanteil und sie fand zwischen 1874 und 1879 auf solche Vereine unnachgiebige Anwendung, welche sich nach Ansicht der Amtsbehörden klerikalen Einflüssen öffneten und die Freiburger Kirchenführung demonstrativ, wie z.B. in der bewaffneten Begleitung von Frohnleichnamsprozessionen unterstützten.  Diese Regelung  hatte der Gaggenauer Veteranenverein wohl neben anderen Vereinen in Baden missachtet. Der Auslöser war also der so genannte Kulturkampf gegen die „Ultramontanen“ , katholische Gemeindemitglieder und Priester, die durch die preußisch bestimmte Reichsregierung und durch das badische Innenministerium verfolgt wurden. In dieser Zeit  wurde z.B. der Freiburger Bischof in der Rastatter Festung in Haft gehalten.

Der Rotenfelser Veteranenverein, so ist anzunehmen konnte seine „Vertrauenswürdigkeit und Staatstreue“  gegenüber dem Bezirksamt Rastatt ausreichend vermitteln und bestand als „bewaffneter Verein“ weiter. Anträge zur Verlängerung der Polizeistunde bei Veranstaltungen des Vereins in den Jahren 1906 und 1907 belegen den Fortbestand. Der spätere Vorstand Franz Müller, Vater des heutigen Präsidenten und 2. Vorstandes Guido Müller wusste auch noch zu berichten, dass der Veteranenverein bei der Beerdigung von Mitgliedern Ehrensalven abschoss, mit ziemlicher Sicherheit, so vermute ich auf Grund meiner Recherchen –  ausgeführt von den Schützen des Vereins. Aus einer Akte zu einem Bezirksamts-Beschluß vom 6.Juli 1920 an den Veteranenverein Rotenfels , wissen wir , dass es wieder einmal um die Errichtung eines neuen Schießstandes in der Sandgrube am Bahnholzweg ging.

Die Mitglieder des Krieger- und Veteranenvereins tendierten offensichtlich immer mehr zu einem rein sportlichen Schießen, was sich im Jahr 1924 in der Gründung einer Schützenabteilung innerhalb des Vereins zeigte. Dieser Schützenclub bat in einem Brief an das Bad. Bezirksamt Rastatt vom 9.Juli 1924 um Genehmigung von Schießübungen auf dem Schießplatz auf dem Gelände des Schlossgutes. In seinem Aktenvermerk vom 19.7.1924 befürwortet Oberwachtmeister Bamberger diese Genehmigung. Er spricht von 112 Mitgliedern, sämtliche Mitglieder seien ältere, erfahrene Leute, so dass nicht anzunehmen sei, dass mit den Waffen (Kleinkaliber 6rnm, die bei Vorstand Paul Schäfer, aufbewahrt wurden) Missbrauch getrieben werde.

Im Jahr 1926 firmieren die Schützen unter ,,Schützenabteilung des Veteranenvereins Rotenfels“ und verlegen ihre Schießübungen in die neu dafür genehmigte Gemeindesandgrube im Bahnholzweg. Die damals errichtete Schützenhütte ist sozusagen die Vorgängerin des heutigen Schützenhauses, das 1939 fertig gestellt wurde. Die Schützenhütte stand etwa im Bereich des heutigen Eingangs zum Schützenhaus.

Schützen schießen scharf auf Scheiben – so ist es bis heute im Schützenverein geblieben. Ich habe versucht Ihnen in Streiflichtern  die Geschichte dieses Vereins näher zu bringen. Sie sollten wissen, dass sie heute auf über 150 Jahre Vereinsgeschichte zurückblicken können und neben der Geselligkeit und sportlichen Betätigung nicht nur einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung nachgehen, sondern auch die langjährige Tradition pflegen. Vielleicht wird dies auch den einen oder anderen unter Ihnen ermuntern und die Schlussfolgerung nahe legen :

„Man sollte sich doch wirklich mehr um diese Dinge kümmern. Es steckt ja noch soviel drin!“